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So verändert sich die Arbeitswelt zum Besseren

Ein wichtiges Ziel des Teams für Designforschung besteht darin, unseren internen Teams, deren Aufgabe die Gestaltung und Entwicklung einer intelligenteren Form des Arbeitens ist, die Perspektive der Kunden nahezubringen. Flexible Futures lässt unsere Forschung lebendig werden und beschäftigt sich mit den Aspekten der sich stets weiterentwickelnden Arbeitswelt. Wir zeigen neue flexible Ansätze für Zusammenarbeit, Kreativität, Innovation, Produktivität und Zufriedenheit bei der Arbeit. Und das ist nur der Anfang.

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Es besteht kein Zweifel daran, dass der Start dieses Jahrzehnts eher beunruhigend verlaufen ist. Auf der ganzen Welt ist im Hinblick auf die Infrastrukturen, die unsere Gesundheit, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft schützen sollen, radikales Umdenken erforderlich. Die Auswirkungen dieser Veränderungen werden immer deutlicher und Fragen darüber, wie wir arbeiten, sind in den Vordergrund einer weltweiten Debatte gerückt.

Ob in Berlin, Tokio oder in den Canyons von Mill Valley, Kalifornien – die stabilsten Arbeitsplätze werden die sein, die auf mehr Flexibilität setzen. Dieser Wandel macht es möglich, dass Menschen von überall aus arbeiten können. Er lässt unterschiedlichste Arbeitszeiten zu, er ermuntert dazu, nach neuen Wegen zu suchen, wie Mitarbeiter sich besprechen, zusammenarbeiten und voneinander lernen können. Er beeinflusst die Stadtplanung und ermöglicht neue Ansätze im Hinblick auf die berufliche Laufbahn. Dies ist es, was wir als „flexible futures“, flexible Zukunftsmöglichkeiten, bezeichnen.

Flexible Standorte

Flexible Arbeitsstandorte bedeuteten früher offene Büros mit gemeinsam genutzten Räumen und Aufenthaltsräumen. Da aber immer mehr Teams ortsunabhängiges Arbeiten einführen, wird das Arbeiten zunehmend überall stattfinden – vom gemeinsamen Büro hin zu Ihrem Küchentisch und letztlich auch überall sonst.

Ortsunabhängiges Arbeiten ist nicht neu. Das Technologieunternehmen Basecamp arbeitet seit über 20 Jahren nur ortsunabhängig und hat darüber sogar ein Buch geschrieben. Das Softwareentwicklungsunternehmen GitHub verfügt ebenfalls über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung mit einer Belegschaft, die größtenteils im Home-Office arbeitet, und gibt seine Erfahrungen in Blog-Posts an Neulinge im Bereich des ortsunabhängigen Arbeitens weiter. Ortsunabhängiges Arbeiten, früher eher als Option für Nischenbereiche angesehen, wurde seit Beginn der Corona-Pandemie zu einer Option für die breite Masse. „Unternehmen haben gelernt, dass sie eine Strategie für ortsunabhängiges Arbeiten benötigen, um für jegliche Herausforderungen gewappnet zu sein“, erklärt Kate Lister, President der Unternehmensberatung Global Workplace Analytics mit Sitz in San Diego.

Eine Person, die in einem Café an einem Laptop arbeitet, ist ein Beispiel für einen flexiblen Arbeitsplatz
Viele Menschen berichteten von einem hohen Maß an Zufriedenheit mit dem Arbeiten im Home-Office, selbst in den schwierigen Zeiten der Pandemie. Unternehmen wie Twitter und Hitachi kündigten auf unbestimmte Zeit neue Optionen für ortsunabhängiges Arbeiten an. Diese Entwicklung macht Makler für Gewerbeimmobilien bereits nervös. Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass das Büro von Dauer sein wird, selbst in der Welt nach der Pandemie. „Es wird lediglich über zwei gegensätzliche Extremfälle diskutiert, also darüber, dass das Arbeiten völlig ortsunabhängig wird oder dass alle gleichzeitig im Büro sind. Ich denke, tatsächlich geht es in Richtung einer hybriden Form“, sagt Annie Auerbach, Mitbegründerin von Starling, einer Agentur für kulturelle Insights mit Sitz in London, und Autorin des Buches „Flex: Reinventing Work for a Smarter, Happier Life“.
„Es wird lediglich über zwei gegensätzliche Extremfälle diskutiert, also darüber, dass das Arbeiten völlig ortsunabhängig wird [...] oder dass alle gleichzeitig im Büro sind. Ich denke, tatsächlich geht es in Richtung einer hybriden Form“, sagt Annie Auerbach, Mitbegründerin von Starling, einer Agentur für kulturelle Insights mit Sitz in London, und Autorin des Buches „Flex: Reinventing Work for a Smarter, Happier Life“.

Annie Auerbach

Autorin von „Flex: Reinventing Work for a Smarter, Happier Life“

Annie Auerbach, Autorin von „Flex: Reinventing Work for a Smarter, Happier Life“
Sogenannte Knowledge Worker oder Wissensarbeiter können davon ausgehen, dass Arbeitgeber in den kommenden Jahren mit dem Konzept Standort experimentieren werden. So kann etwa ein Unternehmen die Möglichkeit bieten, bei Aufgaben, die hohe Konzentration fordern, im Home-Office zu arbeiten, während es zudem gemeinsame Büroräume gibt, die für die persönliche Zusammenarbeit genutzt werden können. „Wir werden über die Zeiten, in denen wir zusammen sind, ganz gezielt nachdenken“, so Auerbach weiter. Und statt einen neuen Unternehmensstandard zu definieren, könnte die individuelle Wahl des Einzelnen zur neuen Normalität werden. „Meine perfekte Flexibilität wird wahrscheinlich eine andere sein als Ihre perfekte Flexibilität.“
Lisa Swerling von Last Lemon arbeitet in ihrem Atelier in Kalifornien
Lisa Swerling von Last Lemon arbeitet in ihrem Atelier in Kalifornien
Einige Selbstständige, wie die Kreativpartner Lisa Swerling und Ralph Lazar von Last Lemon, wechseln schon lange immer wieder ihren Arbeitsort. Das ursprünglich aus Südafrika stammende Ehepaar lebt nun in Marin County, Kalifornien, und erschafft seit zwei Jahrzehnten gemeinsam illustrierte Inhalte und bildende Kunst.
Manchmal arbeiten sie von ihrem Home-Office aus, manchmal, wenn sie in der Welt unterwegs sind, arbeiten sie für ein paar Monate an Orten wie Botswana oder auf den Seychellen. In den ersten Jahren, erklärt Swerling, hätte es sich wie Science Fiction angefühlt, an entlegenen Orten online zu gehen. „Wir dachten etwa: ‚Oh nein, wir sitzen hier auf einer winzigen Insel im Indischen Ozean, wie funktioniert das? Und wie ist das überhaupt möglich?‘“ Später waren sie überrascht, wie leicht es nach dem Umzug in die USA war, Beziehungen zu europäischen Partnern aufrechtzuerhalten. „Es war fast ein bisschen befremdlich, wie unwichtig die Distanz schien.“
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Kate Lister, President, Global Workplace Analytics

Flexible Arbeitszeiten

Der vielleicht interessanteste Aspekt daran, mehrere Optionen für die Orte zu haben, von denen aus man arbeitet, ist die Art und Weise, wie der Arbeitsort auch beeinflusst, wann man arbeitet. Anstelle eines traditionellen Arbeitstages mit festen Zeiten ermöglicht ortsunabhängiges Arbeiten einen flexibleren Arbeitstag.

Für viele Teams funktioniert ein differenzierter Umgang mit Arbeitszeiten nicht von heute auf morgen. Matt Mullenweg, Technologieunternehmer und Pionier in Sachen ortsunabhängiger Arbeitsplatz, erklärt in seinem Blog, dass Unternehmen, die zum ersten Mal Arbeiten im Home-Office möglich machen, oft versuchen, die Situation im Büro zu imitieren, und dabei immer noch erwarten, dass Mitarbeiter während des gesamten Arbeitstages an ihrem Schreibtisch sitzen. Er argumentiert, dass fortschrittlichere, auf ortsunabhängiges Arbeiten ausgerichtete Unternehmen akzeptieren, dass die Arbeit nicht notwendigerweise gleichzeitig durchgeführt wird, sondern dann, wenn es den Menschen am besten passt.

Wenn Arbeitgeber ihre strengen Regelungen zu Arbeitszeiten lockern, tritt eine tiefgreifende Änderung ein: Aus einer präsenzorientierten Unternehmenskultur wird eine ergebnisorientierte Unternehmenskultur. „Wir arbeiten nicht am besten in einem Marathon. Wir arbeiten am besten im Sprint“, erklärt Kate Lister. „Wir wissen, dass Mitarbeiterführung am besten klappt, wenn man Ziele setzt und ihnen das notwendige Werkzeug an die Hand gibt, um diese Ziele zu erreichen, und ihnen dann die Autonomie gibt, ihren Job zu machen. Wir wissen das seit den 1950er Jahren, aber die Realität sieht anders aus. [...] Wenn Mitarbeiter ihre Aufgaben erledigen, wenn sie nach Ergebnissen bewertet werden und erfolgreich sind, warum ist es dann wichtig, wann sie arbeiten?“ Sie fügt hinzu, dass sich Vorgesetzte in einem ergebnisorientierten Modell daran gewöhnen müssten, nicht jeden Schritt ihrer Mitarbeiter zu überwachen. Und allein dies sei eine entscheidende Veränderung für manche Unternehmen.

Einige Führungskräfte wie Alastair Simpson, VP of Design bei Dropbox, verfolgen bereits einen Führungsstil, der in hohem Maße auf Vertrauen und Autonomie setzt. „Wenn Sie unglaublich intelligente Leute einstellen und versuchen, ihnen genau zu sagen, wie sie in schwerfälligen Abläufen arbeiten sollen, werden Sie kein wirklich gutes Ergebnis erzielen. Aber wenn Sie ihnen die richtigen Ziele und die richtigen Tools geben, glaube ich, dass Menschen Erstaunliches leisten können“, erklärt er.

Alastair Simpson, VP of Design bei Dropbox
Alastair Simpson, VP of Design bei Dropbox

Wenn Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten mehr selbst steuern können, macht sie das tatsächlich produktiver, nicht weniger produktiv. „Die große Befürchtung, dass die Produktivität sinkt, wenn man den Mitarbeitern Autonomie hinsichtlich ihrer Zeit gewährt, hat sich als unbegründet erwiesen“, so Annie Auerbach.

Die Herausforderung für Menschen, die ortsunabhängig arbeiten, besteht also darin, flexiblere Arbeitszeiten zu ihrem Vorteil zu nutzen, indem sie sich Grenzen setzen, dann arbeiten, wenn sie am effizientesten sind, und nicht in die Falle tappen, niemals abzuschalten. Annie Auerbach erklärt: „Das Letzte, was Sie tun sollten, ist, Präsenz ‚vor Ort‘ gegen ‚digitale‘ Präsenz – also feste Arbeitszeiten gegen Arbeiten rund um die Uhr – einzutauschen. Denn dann würden wir einfach die schlechten Gewohnheiten des Arbeitsplatzes in einen neuen, flexiblen Ansatz einbauen und so tun, als wäre das wirklich flexibel.“

Nicolas Leschke, CEO und Gründer von ECF Farmsteads

Nicolas Leschke, CEO des Berliner Start-ups ECF Farmsystems, erklärt, dass er gelernt hat, sich persönliche Grenzen zu setzen, und zwar mit Hilfe einiger Tricks: So schaltet er etwa sein Telefon in der Nacht aus und hat dafür gesorgt, dass er nicht zu einfach über den Startbildschirm seines Telefons auf seine beruflichen E-Mails zugreifen kann. „Es ist sehr schwierig, die Arbeit aus dem Kopf zu bekommen“, fügt er hinzu. „Aber ich denke, momentan bekomme ich das ganz gut hin. Und ich schätze, das musste ich einfach mit der Zeit lernen.“

Auch Unternehmen haben ein Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter sich nicht völlig verausgaben. „Das Wohlbefinden der Mitarbeiter – ihr mentales und ihr körperliches Wohlbefinden – ist für ihre Leistung absolut entscheidend“, bekräftigt Kate Lister. „Begriffe wie ‚Flexibilität‘, ‚Work-Life-Balance‘ und ‚mentale Gesundheit‘ waren früher in der Führungsetage nicht oft zu hören. Aber jetzt hören wir sie definitiv.“

Wie Annie Auerbach erklärt, profitiert eine Vielzahl von Mitarbeitern von flexiblen Arbeitszeiten – nicht nur Eltern, sondern auch Menschen, die sich um ältere Familienmitglieder kümmern, Menschen mit Interessen, denen sie nachgehen möchten, und diejenigen, die einfach mehr Zeit für ihr Privatleben brauchen. „Es geht um eine neue Sichtweise: Statt Flexibilität als etwas zu empfinden, das man zähneknirschend akzeptieren muss, wird Flexibilität als Weg der Zukunft gesehen: als Weg, die bestmöglichen Mitarbeiter anzuziehen, und als Art und Weise, wie sich Ihre Mitarbeiter erfüllt und ausgeglichen fühlen können.“

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Melanie Cook, Managing Director, Hyper Island APAC

Flexible Tools

Die gute Nachricht für Unternehmen ist, dass sich die Tools für ortsunabhängiges Arbeiten nicht so sehr von den digitalen Tools unterscheiden, mit denen viele bereits arbeiten. Sie sind nur zufällig von entscheidender Bedeutung für die Arbeit im Home-Office. „Ich meine damit nicht nur die Kommunikationstechnologien wie Zoom oder Google Hangouts. Ich meine auch Technologien für die Zusammenarbeit – wie Dropbox. [...] Ohne sie wären wir nicht in der Lage, ortsunabhängig zu arbeiten“, erklärt Melanie Cook, Geschäftsführerin des Bildungsunternehmens Hyper Island

Cook sagt, sie beobachte einen neu entdeckten Optimismus hinsichtlich der Möglichkeiten der Technologie, die Arbeit der Menschen zu unterstützen. Sie werde weniger als unheimliche Kraft im Hintergrund gesehen, die Arbeitsplätze durch Massenautomatisierung zu übernehmen droht. Stattdessen sei es so: „Sie nimmt einen Teil der Belastung, die durch das Pendeln entsteht. Und sie gibt uns so mehr Zeit zurück, die wir mit unserer Familie verbringen können.“

„Die Corona-Pandemie hat den digitalen Wandel enorm beschleunigt, da viele Unternehmen gezwungen sind, einen Großteil ihres Papierkrams online zu erledigen“, so Whit Bouck, COO bei HelloSign, einem Dropbox-Unternehmen, das Lösungen für elektronische Signaturen anbietet. Mit HelloSign können virtuelle Teams offizielle Dokumente unterzeichnen, ohne dass sie sich im selben Raum befinden müssen. Dies kann alles umfassen, von Onboarding-Dokumenten für Mitarbeiter bis hin zu Verträgen mit Zulieferern. „Unternehmen brauchen eine Möglichkeit, diese wichtigen Vereinbarungen weiterhin online zu treffen, und wir machen es einfach und sicher, dies zu tun“, erklärt Bouck.

„Ich denke, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, was den Einsatz von Technologie-Tools zur Stärkung der Unternehmenskultur angeht. Ich glaube, wir sind noch nicht ganz dort angekommen.“

Kate Lister, Präsidentin der in San Diego ansässigen Unternehmensberatung Global Workplace Analytics

Teams führen immer mehr Arten von digitalen Tools ein, etwa für das Hinzufügen einer elektronischen Signatur, Whiteboards, Projektmanagement, Chats und andere gemeinsame Aufgaben. Die Integrationsmöglichkeiten von Tools werden immer besser, sie können in Kombination funktionieren, statt jeweils einzeln Ihre Aufmerksamkeit zu fordern. Ein typisches Beispiel: 2019 führte Dropbox Dropbox Spaces ein, das nicht nur als Speicherplatz, sondern auch als wichtiger Hub für die Zusammenarbeit und Integration mit anderen Tools wie Slack, Zoom und Trello konzipiert wurde. „Wir werden zunehmend plattform- und workfloworientiert. Mit Dropbox Spaces können Teams mehrere Dateien von verschiedenen Standorten an einer zentralen Stelle zusammenzuführen und so eine sinnvolle, wohlüberlegte Zusammenarbeit ermöglichen. Es ist wirklich eine Weiterentwicklung dessen, was Dropbox erfolgreich gemacht hat“, erklärt Alastair Simpson.

 

Letztendlich müssen digitale Arbeitstools für virtuelle Teams mehr leisten, als nur die Produktivität zu fördern: Sie müssen die emotionalen und kreativen Anforderungen einer Gemeinschaft unterstützen, wenn sich ihre Mitglieder nicht in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. „Man verliert die Originalität, die die Arbeit in der Nähe anderer Menschen mit sich bringt, die Kreativität, die durch eine improvisierte Kaffeepause entsteht, oder die Inspiration, die einem der Blick auf den Computerbildschirm eines Kollegen gibt“, so Fred Wordie von der Berliner Kreativagentur Kids, die während des Lockdowns in der Pandemie „I Miss the Office“ entwickelt hat, das die Geräusche eines Büros imitiert. Ihm ist bewusst, dass nicht die Sounds selbst, sondern die Menschen, die sie produzieren, wirklich fesselnd sind. „Das ist der Grund, warum viele Menschen die Website beruhigend finden.“

„I Miss the Office“ von Fred Wordie

 

Es wird nicht einfach sein, digitale Alternativen für diese zufälligen, informellen Momente unter Kollegen zu schaffen. „Ich denke, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, was den Einsatz von Tools zur Stärkung der Unternehmenskultur angeht. Ich glaube, wir sind noch nicht ganz dort angekommen“, so Kate Lister.

Viele Mitarbeiter, die im Home-Office arbeiten, sind aktuell auf Videocalls, Posts und Chats mit dem Team angewiesen, um eine Teamkultur aufzubauen. Mit der Zeit werden neue Funktionen und Tools aufkommen, die vielfältige und zufällige Begegnungen innerhalb eines Unternehmens besser unterstützen.

 

Flexible Beziehungen

Statt die Bürokultur direkt zu kopieren, ist ortsunabhängiges Arbeiten wahrscheinlich erfolgreicher, wenn die neue Dynamik in einer digitalen Umgebung genutzt wird.

Eine Struktur des ortsunabhängigen Arbeitens macht es sicherlich einfacher, sich in großem Umfang zu vernetzen. Das Teambuilding-Unternehmen The Go Game, das seit 2001 persönliche und hybride Veranstaltungen für Teams durchführt, bewirbt nun eine virtuelle Plattform, die Erlebnisse für mehr als 1.500 Personen auf der ganzen Welt bereitstellen kann. „Bei uns dreht sich alles um das Schaffen virtueller Erfahrungen, die die Distanz für Menschen, die an verschiedenen Orten arbeiten, überbrücken“, erklärt Ian Fraser, Mitbegründer und CEO. „Unternehmen brauchen eine Lösung, die Menschen auf authentische, integrative und dynamische Weise miteinander verbindet.“

Michael Franti, Teilnahme an „The Go Game“
Wenn geografische Grenzen überbrückt werden, werden auch vielfältigere und integrativere Netzwerk-, Mentoring- und Einstellungsverfahren möglich. FREE THE WORK, eine gemeinnützige Initiative mit Sitz in Los Angeles, ist eine durchsuchbare Datenbank- und Inhaltsplattform, die unterrepräsentierte Kreative vorstellt. Das Ziel ist es, sie für Fernseh-, Film- und Werbeunternehmen auf der ganzen Welt besser auffindbar zu machen. „Wir glauben, dass der Einsatz talentierter Menschen, die in der Vergangenheit unterrepräsentiert waren, zu einem Wiedererwachen der Kreativität führen wird, von der die Welt nur profitieren kann. Es ist wichtig, repräsentiert zu sein“, erklärt das Team von FTW. „Authentisches Storytelling ist hierbei ein wichtiger Bestandteil. Wir brauchen mehr Geschichten in der Welt, die uns allen zeigen, was möglich ist.“
Eine Podiumsdiskussion von Free the Work

In gewisser Hinsicht minimiert der Online-Kontakt auch manche Voreingenommenheit unter Kollegen im Arbeitsalltag. Kate Lister bemerkt, dass virtuelle Kommunikation Hierarchien abschwächen kann, was Introvertierten und anderen eine gleichberechtigtere Stimme gibt. „So haben wirklich alle eine Chance. Jeder hat die Möglichkeit, mitzureden.“

Wie Annie Auerbach erklärt, entspricht die Vorstellung, dass man in einem Büroumfeld besser Bindungen eingehen kann, nicht der ganzen Wahrheit. „Es gibt die Befürchtung, dass wir, wenn wir von zu Hause aus arbeiten, isoliert sind und uns nicht als Teil eines Ganzen fühlen. Mein Eindruck hier ist, dass wir dieses Gefühl hatten, als wir im Büro Kopfhörer trugen und gerade nicht redeten. Es ist kein Problem des ortsunabhängigen Arbeitens. Es ist ein Problem der ortsunabhängigen Verbindungen.“ Das Aufbauen von Vertrauen unter Teammitgliedern hängt wohl letztlich weniger von bestimmten Tools oder Plattformen ab und mehr von Gebräuchen, die authentisch menschlich sind. Regelmäßige Treffen oder Aktivitäten, bei denen sich Teammitglieder besser und näher kennenlernen, können helfen.

Kate Lister fügt hinzu: „Aus der Forschung erfahren wir, dass wir nicht viel Zeit von Angesicht zu Angesicht brauchen, um Vertrauensbeziehungen aufrechtzuerhalten. Und tatsächlich treffen sich die meisten der virtuellen Firmen vielleicht ein- oder zweimal im Jahr und tun oft nichts anderes, als sich zu unterhalten. Diese eher seltenen Treffen scheinen auszureichen, um das Vertrauensverhältnis auf einem hohen Niveau zu halten.“

Melanie Cook erzählt, ihr Team hätte zur Zeit des Lockdowns während der Pandemie zwei virtuelle Meetings pro Tag eingeführt. Das morgendliche Meeting diene taktischen Zwecken und das Nachmittagstreffen sei eher informell und ersetze das, was zuvor eine zwanglose Begegnung auf dem Flur gewesen wäre. „Unser Nachmittagschat verläuft oft eher ungeplant. Es geht eher darum, zu sehen, ob alles in Ordnung ist.“

Flexible Städte

Nun, da der Arbeitsalltag der Menschen ein neues Maß an Flexibilität erreicht, könnten sich auch Städte verändern.

Eine Menge neuer Faktoren werden Einfluss darauf haben, wo Menschen leben und arbeiten. Zum Beispiel müssen diejenigen, die traditionell ihre Heimatstädte aufgrund besserer wirtschaftlicher Möglichkeiten in Großstädten verließen, dies vielleicht nicht mehr tun. Zhenru Goy von Goy Architects, einem kleinen Architekturbüro, dessen drei Partner in Singapur, Indonesien und Thailand ansässig sind, erklärt, die Arbeit sei um ihr Leben herum organisiert: Jeder Partner lebe in der Nähe von Familie und Freunden und koordiniere die Arbeit in der Cloud.

Dessy Anggadewi von Goy Architects arbeitet von ihrem Garten in Jakarta aus

In den teuren Städten, in die die Menschen wegen der Arbeitsplätze geströmt sind, könnte es zu einer gewissen Entlastung kommen, da die Menschen in die Vorstädte oder aufs Land ziehen, wo sie Platz für ein Home-Office und Zugang zur Natur haben. Und einige Gemeinden könnten sogar in der Lage sein, ihre Wirtschaft wieder zu beleben. „Es gibt Orte im ganzen Land und auf der ganzen Welt, die ortsunabhängige Berufstätige aktiv rekrutieren und schulen, die Einheimische als Kandidaten für ortsunabhängiges Arbeiten schulen und in einigen Fällen sogar einen Umzug dorthin finanziell unterstützen“, so Kate Lister. „Sie möchten ihre Wirtschaft unbedingt um neue Arten von Arbeitsplätzen erweitern.“

Städte, die voll sind mit flexiblen Arbeitskräften, werden sich auf neue Weise organisieren und das traditionelle Pendeln zwischen den Wohn- und Gewerbegebieten einer Stadt neu überdenken. C40 Cities, ein globales Netzwerk von Städten, die sich für die Bekämpfung des Klimawandels einsetzen, stellt eine Welt vor, in der alles, was man braucht, innerhalb von 15 Minuten erreichbar ist. Eine gemischte Stadtentwicklung, bei der Wohnen, Arbeiten, Einzelhandel und Unterhaltung in demselben Gebiet stattfinden, kann sich sogar als vorteilhaft für die Arbeit selbst erweisen, wie Goy bei ihrer Arbeit als Architektin festgestellt hat. „Ich entdecke neue Dinge, wenn ich in mein näheres Umfeld gehe, um zu sehen, zu berühren, zu fühlen, zu erleben und mit der Gemeinschaft zu kommunizieren. Ich denke, um eine bessere Designerin zu sein, muss ich mit dem in Berührung kommen, was in der Umgebung um mich herum ist“, sagt sie.

Eine Videovorschau für 15-Minuten-Städte

15-Minuten-Städte

1,5 Min.

Annie Auerbach stellt sich neue Arten von Arbeitsmodellen vor, wie z. B. ein Nachbarschaftszentrum, in dem Menschen aus verschiedenen Branchen und Altersgruppen an einem lebendigen, gemeinsam genutzten Ort ihr eigenes Ding machen können. „Autonomie zu haben, [...] bedeutet nicht notwendigerweise, alleine zu sein“, erklärt sie. Sie stellt sich diesen Ort vielfältiger und gemeinschaftsorientierter vor als die heutigen Coworking Spaces. Letztlich ist es so, dass in vielen Teilen der Welt die Bevölkerung älter wird, und so kann es sein, dass sich das Konzept, das Arbeitsleben ab einem bestimmten Alter zu verlassen, ändern wird. „Die Idee, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhören zu arbeiten und uns ins Privatleben zurückziehen, ist [...] immer weniger verbreitet“, so Auerbach. Sie stellt fest, dass ältere Menschen später im Leben ganz neue Unternehmen gründen.

Flexible Mitarbeiter

Wenn es um einzelne Mitarbeiter geht, verlangt die Zukunft sowohl einen reagierenden als auch einen proaktiven Arbeitsansatz.

Menschen müssen auf den Anstieg der Massenautomatisierung reagieren – das bedeutet, dass Technologien und künstliche Intelligenz einige Funktionen übernehmen, die normalerweise von Menschen ausgeführt werden. In ihrem dystopischen Stück „An Interview with ALEX“, das ein Bewerbungsgespräch mit einem KI-Personalmanager zeigt, untersucht Multimedia-Künstlerin und Designerin Carrie Sijia Wang potenzielle Auswirkungen. „‚An Interview with ALEX‘ versucht, die potenziellen Probleme aufzudecken, die entstehen, wenn wir Technologie die Führung übernehmen lassen, ohne zu verstehen, wie sie funktioniert, für wen sie funktioniert, welche Konsequenzen dies haben wird und wer am Ende die Konsequenzen tragen wird“, so Wang.

Carrie Sijia Wang, Multimedia Artist & Designer

Einige Jobs werden verschwinden und ganz bestimmt werden neue Positionen geschaffen. Laut einem Bericht von Dell Technologies prognostiziert das Institute for the Future, dass 85 % der Jobs, die es im Jahr 2030 geben wird, noch gar nicht erfunden sind. Menschen werden für repetitive Aufgaben weniger wichtig, aber unentbehrlich für einzigartige „menschliche“ Fähigkeiten wie kritisches Denken und Zusammenarbeit. Melanie Cook prophezeit einen „weltweiten Upskilling-Notstand“, in dem Menschen für diese Jobs der Zukunft ausgebildet werden und ihre Qualifikationen ausbauen müssen.

Auerbach fügt hinzu: „Wir müssen uns eigentlich unser ganzes Leben lang weiterbilden. Bildung kann nicht vorab stattfinden, da Technologien sich verändern und Fähigkeiten sich weiterentwickeln. Und wir müssen weiter wachsen und lernen und neu lernen, während wir unser Leben leben.“ Beschleunigte Schulungsmöglichkeiten tauchen bereits auf, als Reaktion auf die sich ändernden beruflichen Anforderungen, wie etwa Karrierezertifizierungen von Google, sie tauchen bereits auf, um diesem Bedarf Rechnung zu tragen.

Die Anpassung an diese veränderten Umstände bedeutet, dass viele Karrieren nicht mehr auf Autopilot laufen können. Die Menschen müssen unter Umständen proaktiver agieren, Optionen ausloten und sich umstellen, um den eigenen Weg zu finden. Auerbach sagt, man solle davon ausgehen, „dass der Weg nicht geradlinig verläuft, so dass die Menschen sich horizontal oder diagonal auch in andere Gebiete vorwagen sollten. Sie sollten eine Pause machen und reisen. Sie sollten eine Pause machen und sich fortbilden, ehe sie an den Arbeitsplatz zurückkehren. Und so überlagern sich all diese Visionen viel mehr [...], während wir unser Leben leben.“

Selbst in Japan, wo in Unternehmen traditionell eine lebenslange Beschäftigungspolitik vorherrscht, denken die Menschen nun flexibler über ihre Karriere nach. En Factory mit Sitz in Tokyo bietet einen Dienst, mit dem Unternehmen ihre Mitarbeiter dabei unterstützen können, Nebenjobs innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu finden und auszuüben. „Nebenjobs werden heutzutage immer mehr akzeptiert, da die Mitarbeiter neue Erfahrungen sammeln und neue Fähigkeiten erwerben können“, sagt Masaki Shimizu, Chief Business Officer bei En Factory. Er sieht die Nebentätigkeiten als Win-win-Situation sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmer. Unternehmen profitieren von den neuen Fähigkeiten, die sich ihre Mitarbeiter aneignen, und die Mitarbeiter erweitern ihre Karrieremöglichkeiten. Shimizu erklärt, die meisten Mitarbeiter von En Factory hätten Nebenjobs, von der Erstellung von Websites bis hin zur Herstellung von Kleidung für Hunde. Er selbst hat vier Jobs, einer davon ist der Betrieb eines Igel-Cafés. Er erzählt, sein Arbeitsansatz wäre als sehr ungewöhnlich angesehen worden, als er 2012 seine Nebentätigkeiten aufnahm – und es wurde sogar in den Nachrichten über ihn berichtet. Aber jetzt gäbe es genug Leute, die dasselbe täten, so dass er Tipps und Best Practices mit ihnen teilt.

 

Masaki Shimizu im ChikuChiku, seinem Igel-Café in Tokio

Freiberufliche Tätigkeit und Unternehmertum werden auch in Zukunft risikoreicher und weniger sicher sein als eine traditionelle Vollzeitanstellung, so dass diese Menschen bessere soziale Sicherheitsnetze benötigen. Ein Beispiel ist Alia, eine Plattform für ortsungebundene Leistungen für häusliche Arbeitskräfte wie Kinderbetreuungs-, Reinigungs- und Pflegekräfte. Mehrere Arbeitgeber oder Kunden können einen Beitrag leisten zu den Alia-Leistungen für Arbeiter, wozu bezahlte Krankheitstage und Zugang zu Versicherungen wie Lebensversicherungen gehören können. „Es gibt so viele Menschen, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, [die] keine Absicherung oder Schutz haben, weil diese 40 Stunden möglicherweise auf 40 Arbeitsstellen verteilt sind statt auf einen einzigen Arbeitgeber“, so Palak Shah, Gründungsdirektor von NDWA Labs, der Organisation, die Alia geschaffen hat. „Alia ist der Kanarienvogel in der Kohlemine für die Zukunft der Arbeit. Uns war klar, wenn wir diese Probleme für Arbeitskräfte in Haushalten lösen können, können wir sie für jeden Arbeiter lösen.“

Das Künstlerpaar Lisa Swerling und Ralph Lazar verkörpert den verschlungenen Weg, der vielleicht vor vielen Menschen liegt: „Was wir an unserer Geschichte immer interessant finden, weil wir wirklich Unglaubliches geschafft haben, ist, dass sie mit Misserfolgen gespickt ist“, sagt Swerling. „Und es ist umwerfend komisch und inspirierend, denn wir sind vor allem mit einer Art von angeborenem Optimismus gesegnet. Man kann nicht wirklich tun, was wir tun, ohne Optimist zu sein, weil man sonst nicht weitermachen würde. [...] Man muss die eigene Arbeit immer wieder neu erfinden.“

Künstlerpaar Lisa Swerling und Ralph Lazar

Letztendlich werden die Menschen weiterhin nach Sinn und Erfüllung in der Arbeit suchen, auch wenn ihre Reise mehr überraschende Wendungen nimmt. Nicolas Leschke von ECF Farmsystems beschreibt dieses Gefühl der Erfüllung bei seiner aktuellen Tätigkeit: „Ich befinde mich innerhalb der Stadtgrenzen. Ich habe einen ‚grünen Job‘, was sehr befriedigend ist. Ich arbeite mit etwas Natürlichem. Und ich denke, all das sorgt für ein gutes Karma.“

Zhenru Goy von Goy Architects sagt, ihr flexibles Arbeitsmodell erlaube es ihnen, zu entschleunigen und sich schrittweise weiterzuentwickeln, um so zielgerichtet wie möglich zu arbeiten. „Wir experimentieren immer noch und versuchen zu verstehen, was wir für die Architektur tun sollten. Daher sinnen wir fortdauernd darüber nach, in welcher Form und wie wir unseren Beitrag leisten sollten, von dem die Gemeinschaft und die Umwelt profitiert. [...] Wir können uns die Zeit zum Nachdenken nehmen, aber wir sind auch in unseren Arbeitsabläufen flexibel und können mit unseren Projekten Einfluss nehmen.“

Goy Zhenru, Principal of Goy Architects

Melanie Cook schlägt vor, die gesamte Karriere mit „langsamem Nachdenken“ anzugehen, im Gegensatz zu panischen Kampf-oder-Flucht-Reaktionen auf das, was in der Welt passiert. Sie empfiehlt, „sich die Zeit zu geben, die eigene Karriere wirklich zu planen und auch Experimente einzuplanen, [...] um den erfolgreichsten Weg für sich selbst zu finden.“

Kate Lister hofft, dass Unternehmen bessere Wege finden, die Fähigkeiten, Interessen und Stärken von Mitarbeitern zu erkennen und zu nutzen. „Das ist der Moment, an dem wir Spitzenleistung von Menschen erzielen“, sagt sie.

Mithilfe flexibler Ansätze für die Zukunft der Arbeit können wir uns letztlich mit dem, was vor uns liegt, auseinandersetzen, gute Arbeit leisten und uns auf das, was kommt, einstellen. Unsere flexible Zukunft wird Entschlossenheit fordern, wenn wir mit Widrigkeiten konfrontiert sind. Melanie Cook formuliert es so: „Optimistisch betrachtet ist es so: Menschen haben eine unglaubliche Widerstandsfähigkeit. Sie können sich anpassen, sie können sich anpassen, sie können sich anpassen.“

Unsere flexible Zukunft wird uns auch die Möglichkeit geben, uns proaktiv auf das zu konzentrieren, was uns am wichtigsten ist. Die sich verändernden Arbeitsumstände bieten eine Chance, bessere Wege zu finden, unsere Prioritäten abzuwägen – von Vorlieben über Menschen bis hin zu beruflichen Tätigkeiten, die für uns am sinnvollsten und wertvollsten sind. Wir sollten sicherstellen, dass Menschen mit all ihren Facetten gedeihen können und dass es beim letztendlichen Resultat ebenso um das Leben geht wie um die Arbeit. Denn, wie Annie Auerbach sagt: „Es steckt immer eine sehr menschliche Geschichte hinter den Gründen, warum Menschen flexibel arbeiten möchten.“